Moderne Hörgeräte sind klein und unauffällig.

Moderne Hörgeräte sind klein und unauffällig. 

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Was Hörgeräte heute schon alles können

Einige wollen den Fernseher ständig lauter drehen, andere wundern sich aber über die extreme Lautstärke. Oder man kann sich bei einer Feier nicht mehr so gut auf ein Gespräch konzentrieren, weil die Hintergrundgeräusche so stören. Beides kann auf Schwerhörigkeit hinweisen.

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Immer mehr Schwerhörige

Wer schlecht hört, ist damit nicht allein:  Schätzungen zufolge leiden bis zu 1,75 Millionen Menschen in Österreich an Hörproblemen – das sind fast 20 Prozent der Bevölkerung. „Weltweit sind 1,6 Milliarden Menschen betroffen, also jeder Fünfte“, schätzt die WHO. Bis 2050 sollen es 2,5 Milliarden werden. „Wir werden immer älter, daher gibt es mehr Menschen mit Schwerhörigkeit“, erklärt Priv. Doz. DDr. Valerie Dahm von der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten der MedUni Wien. 

„Außerdem wird es immer lauter um uns – wir leben in einer Lärmwelt.“ Deshalb seien unsere Ohren allgemein stärker belastet. Von einem leichten Hörverlust spricht man, wenn man Schwierigkeiten beim Verstehen von leisen oder entfernten Gesprächen und Geräuschen hat, ein mittelgradiger Hörverlust liegt vor, wenn man normalen Gesprächen nicht mehr gut folgen kann, vor allem in Umgebungen mit viel Lärm im Hintergrund.

Neue Modelle sind unauffällig

Bei Hörproblemen sollte man den Grund ärztlich abklären. „Wenn man eine Hörstörung hat, ist es wichtig, ein Hörgerät zu tragen. Manche landen sonst im Tunnel der sozialen Isolation: Man versteht nichts, fragt ständig nach und möchte eigentlich nirgends mehr hingehen. Auch Demenz könnte eine Folge sein“, erklärt Dahm. Klassische Hörgeräte werden hinter dem Ohr befestigt, neue Modelle kann man sich wie Ohrstöpsel in den Gehörgang stecken.

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Hörgeräte gibt es mittlerweile in vielfältigen Designs mit wachsendem Funktionsumfang.

Im Hörgerät ist ein Mikrofon, das Schall aufnimmt. Gesprochene Worte werden dann vom Gerät verstärkt und Störgeräusche herausgefiltert. „Die Technik hat sich enorm weiterentwickelt: Moderne Hörgeräte sind mittlerweile sehr klein und unauffällig. Außerdem kann man sie zum Beispiel via Bluetooth einfach mit dem Smartphone oder Fernseher verbinden“, erklärt Lukas Schinko, Chef des österreichischen Hörgeräteherstellers Neuroth. 

Neueste Geräte verfügen über Bluetooth-Verbindung, einige kann man sogar gleichzeitig mit 2 Geräten wie einem Laptop und Fernseher verbinden. Über begleitende Apps können Klangeinstellungen personalisiert werden. Solche Geräte kann man mit Berührungen steuern, damit Musik und Podcasts hören oder sie zum Telefonieren verwenden. Modernste Hörgeräte sagen sogar per Stimmausgabe, wer gerade anruft.

Stimmen herausfiltern

Für einen gewaltigen technologischen Sprung sorgt auch Künstliche Intelligenz, die mittlerweile in einigen Hörgeräten steckt. Damit können die Geräte etwa Umgebungsgeräusche in Echtzeit analysieren. Sie filtern Stimmen heraus und blenden Hintergrundgeräusche aktiv aus – eine Funktion namens Stimmisolation. Es wird sogar an Geräten geforscht, die nur die Lippenbewegungen des Gegenübers in gesprochene Sprache „umwandeln“. 

Welches Gerät sinnvoll ist, kommt aber auf den Träger an – sehr kleine Hörgeräte, die es dank neuer Akkus mit höherer Energiedichte mittlerweile gibt, seien aber nicht immer ideal. „Für viele ältere Leute ist es ganz schwierig, diese kleinen Hörgeräte zu bedienen, etwa Batterien raus- und reingeben“, erklärt Dahm.

Apple Airpods Pro 2

Klassische Hörgeräte erhalten auch neue Konkurrenz. 2024 hat die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA die drahtlosen Kopfhörer Apple Airpods Pro 2 als Hörgeräte zugelassen, die man auch in Österreich kaufen kann. „Patientinnen mit einer leichten bis mittelgradigen Schwerhörigkeit kommen mit solchen Airpods sehr gut zurecht. Die haben eine gute Stimmisolation“, erklärt Dahm. „Man kann sie auch mit dem Fernseher oder Laptop verbinden. So können sie den Ton direkt ins Ohr übertragen.“ Ein weiterer Vorteil: Sie sind unauffälliger als klassische Hörgeräte, die vielen peinlich sind – ein Grund warum „50 Prozent der Hörgeräte in der Hosentasche leben“, meint Dahm.

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„Bei Patienten mit komplexen und hochgradigen Hörstörungen wird eine so allgemeine Hörhilfe aber nicht ausreichen. Die brauchen speziell eingestellte Geräte, die etwa bestimmte Frequenzen anheben und andere senken“, erläutert die Ärztin. Es gibt aber Fälle, in denen selbst die nicht mehr viel ausrichten. 

Dann kommen nur mehr Hörprothesen infrage. Sie bestehen aus einem in der Hörschnecke implantierten und einem äußeren Teil, der magnetisch am Kopf befestigt wird. „Früher gab man ein solches Cochlea-Implantat nur ganz tauben Patienten. In der Zwischenzeit sind sie besser geworden und man kann damit auch Patienten versorgen, die mit einem Hörgerät keine ausreichende Verbesserung mehr beim Sprachverstehen haben“, so Dahm.

Zukunft mit Musik für Schwerhörige

Wenn wir etwas hören, treffen Schallwellen aufs Ohr. Durch den Gehörgang gelangen sie zum Trommelfell, wo sie über die Gehörknöchelchen in die Hörschnecke übertragen werden. „Die Haarzellen darin sind dafür zuständig, dass die Schallwelle, die ins Ohr geht, in ein elektrisches Nervensignal umgewandelt wird“, erklärt Dipl.-Ing. Dr. techn. Paul Werginz von der TU Wien. Sie nutzen mit der Zeit ab.

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Cochlea-Implantate für Schwerhörige werden in die Hörschnecke eingesetzt. Außen am Kopf wird das Mikrofon platziert.

„Wenn die Haarzellen im Innenohr nicht mehr funktionieren, versucht man das zu ersetzen, indem man Elektroden eines Cochlea-Implantats in die Hörschnecke hineinschiebt.“ So wird das Hören auf gewissen Frequenzen wieder hergestellt. Cochlea-Implantate sind zwar oft ein Segen, allerdings keineswegs perfekt. An der TU Wien will man das verbessern und eines Tages soll man damit sogar wieder Musik genießen können. 

„Sowohl bei Hörgeräten als auch bei Cochlea-Implantaten ist das Ziel, dass man nur das hört, was man auch hören möchte. Anderes sollte ausgeblendet werden, so wie das unser Hirn kann. Manchmal will man etwa gar nicht seinem Gesprächspartner zuhören, sondern lieber dem Nachbartisch. Ich weiß nicht, ob das irgendwann geht. Aber es wäre toll, wenn die Technik das schafft“, so Dahm.

Was zahlt die Krankenkassa?

Betroffene, die   Probleme mit ihrem Gehör bemerken, sollten umgehend zum Arzt gehen. Denn nur eine medizinische Fachkraft kann die konkrete Ursache dafür durch eine Reihe von Tests feststellen. Je nachdem, wie ausgeprägt das Hörproblem ist, kommen dann Hilfsmittel infrage, die helfen. 

Laut der Österreichischen Gesundheitskasse  ÖGK ist der jeweilige Zuschuss der Kasse zu Hörgeräten abhängig vom jeweiligen Modell. Zur Gänze werden die Kosten nicht in allen Fällen übernommen, bei teureren Modellen mit besonderen Funktionen   muss man oft einen Betrag draufzahlen. Ein bezuschusstes Modell muss man dann mindestens fünf Jahre tragen. Erst nach dieser Mindestgebrauchsdauer kann man sich wieder ein neues holen. Aber auch das nicht immer: „Ist ein Hörgerät auch nach fünf Jahren noch voll gebrauchsfähig, sollte dieses weiterhin genutzt werden. Es ergibt sich  kein automatischer Anspruch auf eine Neuversorgung“, heißt es von der ÖGK.

Wer nun denkt, dass er sich neue Apple Airpods Pro 2 auf Krankenkasse-Rechnung kaufen könnte, wird enttäuscht. Die populären Geräte zählen laut der Krankenkasse trotz ihrer neuen Funktionen, die vielen leicht Hörgeschädigten im Alltag bereits helfen können, nicht als Hörgeräte. 

Zur Gänze übernommen wird dafür die Nachversorgung bei Cochlea-Implantaten bei entsprechendem Befund   – dazu muss die Schwerhörigkeit extrem ausgeprägt sein.

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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