
A-10
Warzenschwein unerwünscht: Warum die Ukraine die A-10 nicht haben will
Kürzlich wurde bekannt, dass die A-10 frühzeitig ausgemustert wird. Das ikonische Kampfflugzeug soll statt ab 2028 schon im Fiskaljahr 2026 aus dem Dienst ausscheiden. Der Grund dafür ist, dass die Air Force sich die Instanthaltungskosten sparen will, weil das Budget für die F-47 benötigt wird.
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Jetzt stellt sich die Frage, was mit den 162 Stück passieren soll. „Ab in die Ukraine!“, hört man oft – vor allem von Fans der A-10 Thunderbolt II, die besser als „Warthog“ (Warzenschwein) bekannt ist. Diesen Spitznamen hat sie von den Piloten bekommen, weil sie als hässlich, gleichzeitig aber als schlagkräftig und robust gilt.
Aber schon als 2024 die Frage aufkam, was man in ein paar Jahren mit den A-10s machen solle, sagt der damalige Secretary of the Air Force Frank Kendall: „Die Ukraine hat kein großes Interesse geäußert. Ich glaube, dass sie sich bezüglich der Überlebensfähigkeit sorgt – zurecht.“ Das scheint seltsam, da zu Beginn der russischen Invasion im Jahr 2022 die A-10 als eine Art Wunderwaffe dargestellt wurde, die problemlos die Angreifer besiegt hätte - zumindest, wenn es nach den Memes geht.
A-10 Memes



8 Bilder
Das Flugzeug mit dem BRRRRRT
Um zu verstehen, warum die A-10 aus heutiger Sicht nicht für die Ukraine geeignet ist, muss man zu den Anfängen der Warthog gehen. Seitdem sie 1977 in Dienst gestellt wurde, ist sie einzigartig im Arsenal der Air Force, da sie ein Erdkampfflugzeug ist. Das heißt sie wurde gemacht, um aus niedriger Höhe Feinde am Boden zu attackieren.

A-10
© US Air Force
Doch selbst für ein Erdkampfflugzeug ist die A-10 sehr speziell. Denn statt einer normalen Bordkanone, hat sie die GAU-8/A Avenger. Dem Kampfflugzeug wird nachgesagt, dass es um diese 7-läufige Gatling-Kanone im Kaliber 30 mm herumgebaut wurde.

GAU-8/A Avenger versus VW Käfer
© US Air Force
Die GAU/8 hat eine Feuerrate von bis zu 65 Schuss pro Sekunde. Das Abfeuern erzeugt den ikonischen „BRRRRRT“-Sound, wegen dem die A-10 ein Fan Favorite unter Rüstungsbegeisterten ist.
Die Patrone der GAU/8 ist 173 mm lang. Davon hat die A-10 1.350 Schuss an Bord.

Eine 30-mm-Patrone der GAU-8
© US Air Force
Die Munition ist gemischt. Es sind 4 Schuss PGU-14/B und dann ein Schuss PGU-13/B. PGU-14/B hat ein 395 Gramm schweres panzerbrechendes Brandgeschoß, mit einem Kern aus abgereichertem Uran, um die Durchschlagskraft zu erhöhen. PGU-13/B ist ein 378 Gramm schweres, hochexplosives Brandgeschoß.
Sowjetische Panzerkolonnen stoppen
Die Idee dahinter war, dass die A-10 ganze Panzerverbände und Fahrzeugkolonnen gleichzeitig mit einem „Strafe“ unter Beschuss nehmen kann. Durch die hohe Feuerrate kann bei richtiger Flugrichtung ein einzelner Angriff reichen, um mehrere Panzer zu treffen.
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Der Air Force war hier klar, dass die Wucht der 30-mm-Projektile vermutlich nicht ausreichend wird, um den 1974 eingeführten sowjetischen Kampfpanzer T-72 zu zerstören. Daher auch die Munitionsmischung: Selbst, wenn die panzerbrechenden Geschoße nicht ins Panzerinnere vordringen, könnten die Hochexplosivgeschoße die Ketten sprengen, oder das Zielvisier, Antennen oder ähnliche Komponenten zerstören.

GAU-8 der A-10
© US Air Force
Panzer mit gesprengten Ketten können nicht mehr fahren und sind „Sitting Ducks“ – also leichte Ziele, für einen erneuten Beschuss der A-10 mit Luft-Boden-Raketen oder Streubomben, oder später folgende Angriffe der Artillerie oder von Bombern. So sollten die sowjetischen Panzerkolonnen ausgebremst werden. Die USA nahm nämlich im Kalten Krieg das Szenario an, dass die Sowjetunion mit Tausenden Panzern versuchen wird, Europa zu überrollen.
Panzermassen bei der Invasion der Ukraine
Dass dieses Szenario nicht abwegig war, zeigten Fotos und Videos vom Beginn der russischen Invasion, im Februar und März 2022. Kilometerlange Kolonnen an russischen Panzern, Truppentransportern und anderen Militärfahrzeugen drangen in die Ukraine vor. Und zu diesem Zeitpunkt wäre die A-10 tatsächlich Gold wert gewesen.
Denn Russland glaubte, die Ukraine in einer Art Blitzkrieg zu erobern. Es wurde angenommen, dass innerhalb weniger Tage die Lufthoheit gesichert wird, weshalb die Panzerverbände kaum mit mobiler Luftabwehr ausgestattet waren. Daher konnte die Ukraine in dieser Anfangsphase auch überraschend viele Abschüsse mit der türkischen Bayraktar TB2 erzielen, obwohl die Drohne ein sehr leichtes Ziel für Luftabwehr ist.
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Nach 3 Jahren Krieg hat Russland sein Ziel immer noch nicht erreicht, den Luftraum der Ukraine zu sichern. Mittlerweile haben beide Seiten ein großes Netzwerk aus Boden-Luft-Raketen aufgebaut.
Das führt zu teils ungewöhnlichen Taktiken. So fliegen etwa beide tief mit Hubschraubern, um unter dem Radar der weitreichenden Luftabwehr zu bleiben, die dann die Nase kurz hochziehen, um ungelenkte Raketen in einer ballistischen Flugbahn auf größere Entfernung abzufeuern – als eine Art improvisierte Artillerie.
A-10 ist robust, aber nicht gegen Raketen
Die A-10 gilt als außerordentlich robust, weil Teile des Rumpfs mit Titan geschützt sind. Das trifft auch zu, wenn es um klassisches Flakfeuer geht.

Diese A-10 wurde durch Flakfeuer über Bagdad schwer beschädigt, konnte aber zum Flughafen zurückkehren und dort sicher landen
© US Air Force
In Zeiten des Kalten Kriegs rechnete die Air Force damit, dass die A-10 hauptsächlich mit Abwehrfeuer von Maschinengewehren und Flakpanzern konfrontiert wird. Dazu gehört etwa der weit verbreitete sowjetische Shilka.
Gegen Raketen hat die A-10 aber nur schlechte Chancen. Sie ist weit schwerfälliger und langsamer als übliche Kampfjets. Sie ist deshalb wenig agil, wenn sie anfliegenden Raketen ausweichen muss.
Ihre normale Reisegeschwindigkeit liegt bei 560 km/h, die Maximalgeschwindigkeit nur bei 706 km/h. Ihre 2 Triebwerke sind zudem außenliegend und damit exponiert. Die Splitter einer Luftabwehrrakete, die von vorne oder von hinten trifft, könnte beide Triebwerke gleichzeitig ausschalten.

Um Raketen abzulenken, kann die A-10 Täuschkörper abwerfen
© US Air Force
Das Umfliegen der feindlichen Luftabwehrstellungen ist nur bedingt möglich. Denn die Kampfreichweite der A-10 liegt bei 467 km, wenn die übliche Kampfeinsatzlänge von 30 Minuten herangezogen wird. Da bleibt nicht viel Spielraum für Ausweich- und Umgehungsmanöver.
Die mangelnde Agilität macht die A-10 auch zu einem leichten Ziel im Luftkampf gegen russische Jets, falls es dazu kommen sollte. Sie kann zwar zur Selbstverteidigung mit Sidewinder-Raketen bestückt werden, bei einem Dogfight gegen eine Mig-29 oder Su-35 hätte sie aber dennoch schlechte Karten.
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Wirklich effektiv eingesetzt kann die A-10 also auf einem Schlachtfeld nur, wenn Lufthoheit besteht und der Feind keine Boden-Luft-Raketen hat. Ihren ersten Kampfeinsatz hatte die A-10 1991 im Golfkrieg, 4 Stück wurden durch Boden-Luft-Raketen abgeschossen. Bei späteren Konflikten wurden die A-10 zurückhaltender eingesetzt, wenn mit Beschuss durch Raketen zu rechnen war.

A-10s über Wake Island
© US Air Force
Keine Ersatzteile
Ein weiteres Problem für die Ukraine wäre die Logistik, warnte Kendall: „Wenn die A-10 aus dem US-Inventar verschwindet, gibt es keinerlei Support mehr. Jedes Land, dass die A-10 kaufen würde, hätte es sehr schwer, sie flugfähig zu halten. Es ist außerdem ein sehr altes Fahrzeug. Ersatzteile zu finden ist äußerst schwierig.“
Die Ukraine müsste vermutlich einige A-10s ausschlachten, um mit deren Teilen andere A-10s zu reparieren. Das ist nicht nur zeit- sondern auch platzaufwändig, weil ganze A-10s irgendwo gelagert werden müssen, nur um sie dann bei Bedarf zu zerstückeln. Zudem müssen die Techniker an der A-10 ausgebildet werden.

A-10
© US Air Force
Außerdem reicht es nicht nur die A-10 zu haben, es braucht auch Piloten dafür. Fluganfänger in einen trägen Jet zu stecken, der nur knapp über dem Boden fliegt und ein leichtes Ziel für die Luftabwehr ist, würde wohl keinen Erfolg bringen. Die Ukraine hat zwar erfahrene Piloten, die vermutlich nach ein paar Monaten Training auch mit der A-10 zurechtkommen – aber nicht besonders viele.
Und diese in eine Warthog zu setzen, die geringe Überlebenschancen im umkämpften Luftraum der Ukraine hat, ist unklug. Da sind sie etwa in von westlichen Ländern zur Verfügung gestellten F-16s besser aufgehoben, die nicht nur gegen Boden- sondern auch gegen Luftziele genutzt werden können.
Statt die A-10 auf eine Selbstmordmission in die Ukraine zu schicken, sollte man sie lieber in guter Erinnerung behalten.

A-10 mit Schnurrbart
© US Air Force
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